Vorbereitet Ц Nina & Leon Dotan,† ldn-knigi.narod.ru/Judaica.htm††
(ldn-knigi.russiantext.com/Judaica.htm)
Zusдtzliches Material zum Buch - Alfred Lemm ДDer Weg der DeutschjudenУ Ц Leipzig, 1919,
ьber dem Bruder vom A. Lemm - Dr. Siegfried Lehmann
†http://homepage.uibk.ac.at/homepage/c108/c10815/1916/fe16-094.htm
Aus einem Brief von Franz Kafka an† Felice Bauer
29. IX. 1916
†
ДLiebste, ich dachte heute besondere Ruhe zu haben, der
Foerster liegt neben mir, ich wollte den Rest des Referates schreiben,
womцglich das Ganze besser, aber es geht nicht, es ist hier lebendiger als
sonst. Ich werde froh sein, wenn man mich paar Zeilen zu Ende schreiben lдяt.
Heute kam Dein Brief vom Dienstag.....
...Hast Du ьbrigens meine flьchtige Antwort auf Deine
Glaubensfragen bekommen? Das war ja ein groяes Thema, das Lemm auf sich
genommen hat, fast zu groя, als daя es auch die schцnste Wohnung in Friedenau
zu umfassen imstande sein sollte. Wer waren die Zuhцrer? Kцnntest Du mir ьber
den Vortrag, die Diskussion und vielleicht auch ьber den alten Vortrag des Dr.
Lehmann ьber religiцse Erziehung etwas sagen, nur in paar Worten natьrlich?
Lemm kenne ich natьrlich aus seinen Aufsдtzen hie und da. Er ist phantastisch
bis zum Vertrakten (ich weiя nicht, ob Du von seiner Lehre vom Zwischenland
gehцrt hast?), aber wahrhaftig, konsequent und zu vielem fдhig. So scheint er
mir. Wie alt ist er? Mit wem hast Du dort gesprochen?... Д
Franz
Lemm: Der Schriftsteller Alfred Lemm (Pseud. fьr Alfred Lehmann] (1889-1918), Bruder des bereits genannten Dr. Siegfried Lehmann (vgl. Arm. 2 S. 673), wurde durch Erzдhlungen, Romane und eine Reihe kulturpolitischer Aufsitze bekannt. Zur їIdee des MittellandesЂ, auf die sich Kafka hier offenbar bezieht, vgl. A. Lemm, їWir DeutschjudenЂ, Die Tat. Sozial-religiцse Monatschrift fьr deutsche Kultur, 7. Jg., Heft 11 (Februar 1976), S. 946 f.
A. Lemm
ДDer Weg der DeutschjudenУ, Leipzig 1919:
Hinter
dem Pseudonym Alfred Lemm verbirgt sich der Schriftsteller Alfred Lehmann
(1890 - 1919). In seinem Todesjahr wird seine Programmschrift ДDer Weg
der DeutschjudenУ verцffentlicht, in der er illusionslos und luzide die
Situation des deutschen Judentums analysiert und visionдr den Weg zu einer
jьdischen Identitдt entwirft.
http://sites.huji.ac.il/jfa/Adamah/jfaadam1.htm††† ††(Spielberg Jewish Film Archive)†††
Film ДADAMAУ Ц ьber jьdische Kinder 1947-48 in einem Kinderdorf namens "Ben-Schemen" unweit von Lod Ц Israel.
Д..Da hцrte sie von einem Kinderdorf namens "Ben-Schemen" unweit von Lod, einer damals kleinen Stadt bei Tel Aviv. Dieses Kinderdorf war im Grunde eine Schule, in der Landwirtschaft unterrichtet wurde, um Kinder fьr den Aufbau des Landes vorzubereiten. Leiter war der Berliner Arzt
Dr. Siegfried Lehmann, der in den frьhen zwanziger Jahren nach Palдstina gekommen war und diese Schule fьr Kinder aus Kowno (der damaligen Hauptstadt Litauens) gegrьndet hatte, die nach Pogromen ihre Eltern verloren hatten.
Auch ьber Dr. Siegfried Lehmann
http://www.berlin-judentum.de/kultur/hoexter.htm
Zusдtzlich Ц ldn-knigi ьber den Bruder von A. Lemm
(Lehmann):
http://www.berlin-judentum.de/kultur/hoexter.htm
Dr. Lehmann : Dr.
Siegfried Lehmann, der im jьdischen Schulwesen, zunдchst in Berlin und spдter
in Israel, eine groяe Rolle spielte. Von ihm erschien Anfang Mдrz 1917 der
Beitrag їIdee der jьdischen Siedlung und des VolksheimsЂ, Jьdische Rundschau
XXII, Nr. 9, S. 76f. und Nr. 10, S. 83f. †††††††††††
Artikel Ц
70 Jahre Jugendalijah:
Als Pionier in Palдstina
Nathan Hцxter (geb 1916) wuchs in einer orthodoxen Familie
in Berlin auf. Sein Vater Levi Hцxter war Rabbiner der Synagoge "Beth
Zion" in der Brunnenstraяe. Er gehцrte zur Gruppe der ersten 6
Jugendlichen, die mit der Jugendalijah nach Palдstina kamen. Er lebt seit 1934
im Kibbuz Geva.
Von Iris Noah
Sie sind in einem orthodoxen Elternhaus aufgewachsen. Wie
kamen Sie mit dem Zionismus in Berьhrung?
Als Jugendlicher lцste ich mich vom religiцsen Leben in meinem
Elternhaus. Ich trat in die Jungenschaft des JJWB (Jung-Jьdischer Wanderbund)
ein. Das war zuerst eine Art Pfadfinder-Organisation, deren Fьhrer zur
zionistischen Bewegung gehцrten. Es kamen erwachsene Abgesandte aus Palдstina,
welche die jьdischen Jugendbewegungen zionistisch stark beeinfluяten und ihre
Mitglieder zu potentiellen Pionieren erzogen, die dann spдter ins Heilige Land
zogen um es neu zu besiedeln. Dieser Gedanke fand bei mir ein lebhaftes Echo.
Wie bekamen Sie Kontakt zu Recha Freier, der Grьnderin der
Jugendalijah?
Ich sang damals an jedem Schabbat und an den Hohen
Feiertagen im Knaben und Mдnnerchor der sogenannten "Alten Synagoge"
in der Heidereutergasse. Die Alte Synagoge wurde damals von Rabbiner Freier
geleitet, der mit meinem Vater befreundet war. Ich wuяte, daя Rabbiner Freier
selbst kein Zionist war, seine Frau, Recha Freier, sich hingegen fьr Palдstina
interessierte und auch die Probleme der jьdischen Jugendlichen kannte. Ich
suchte sie eines Tages auf, und es kam zu einem ausfьhrlichen Gesprдch. Ich
erzдhlte ihr von meinen aus дrmeren Familien stammenden Freunden, die Arbeit
suchten. Recha Freier machte einen enorm postitiven Eindruck auf mich. Sie kam
mir vor wie die Prophetin Deborah aus der Bibel.
Recha Freier schreibt in ihrem Buch "Let the Children
Come" Sie hдtten sie inspiriert, eine Organisation zu grьnden, die
jьdische Kinder und Jugendliche nach Palдstina bringen sollte?
Sie nahm Kontakte nach Palдstina auf, um herauszufinden, ob
es dort ьberhaupt Mцglichkeiten gab, Kinder aufzunehmen. Sie versuchte auch,
bei einfluяreichen deutsch-jьdischen Organisationen Hilfe fьr ihre Plдne zu
erhalten, stieя aber bei den meisten auf Ablehnung. Ihre Argumentation und vor
allem das herannahende NS-Regime rьhrten die maяgeblichen Organe, die auch ьber
die Gelder zu einer Evakuierung jьdischer Kinder verfьgten, nicht im
geringsten. Nur in den Jugendorganisationen fand sie ein offenes Ohr fьr ihre
Initiative und wurde von dieser Seite wenigstens moralisch unterstьtzt.
1932 versuchte Recha Freier ihr Glьck bei schon bestehenden
Kibbuzim in Palдstina. Diese waren damals jedoch aus wirtschaftlichen oder
pдdagogischen Grьnden noch nicht bereit, Kinder aufzunehmen. Da hцrte sie von
einem Kinderdorf namens "Ben-Schemen" unweit von Lod, einer damals
kleinen Stadt bei Tel Aviv. Dieses Kinderdorf war im Grunde eine Schule, in der
Landwirtschaft unterrichtet wurde, um Kinder fьr den Aufbau des Landes
vorzubereiten. Leiter war der Berliner Arzt Dr. Siegfried Lehmann, der in den
frьhen zwanziger Jahren nach Palдstina gekommen war und diese Schule fьr Kinder
aus Kowno (der damaligen Hauptstadt Litauens) gegrьndet hatte, die nach
Pogromen ihre Eltern verloren hatten. Recha Freier wandte sich nun an Dr.
Lehmann mit dem Vorschlag, eine kleine Gruppe jьdischer Kinder aus Berlin
aufzunehmen.
Wie reagierten die offiziellen Stellen?
Die zustдndigen Stellen, die von der britischen Regierung
die Zertifikate zur Verteilung erhielten, dachten eigentlich nicht an eine
Berьcksichtigung von Kindern und gaben sie nur an Erwachsene weiter, die an
Auswanderung interessiert waren. Dr. Lehmann bemьhte sich beim High
Commissioner - dem Hochkommissar der britischen Mandatsregierung - sehr um das
Berliner Vorhaben, und dieser stellte dann Dr. Lehmann tatsдchlich zweimal sechs
Zertifikate fьr Schьler zur Verfьgung.
Im Oktober 1932 war es dann doch soweit. Dr. Lehmann kam
wieder nach Berlin, und zwar mit einem Lehrer seiner Schule namens Akiba
Wanchozker, der sich spдter Jischai nannte. Die beiden prьften unsere
sechskцpfige Gruppe noch einmal, um sich zu vergewissern, daя wir in dieses
Kinderdorf passen wьrden. Die Spannung war groя. Sie unterhielten sich auch mit
allen Eltern, um sich deren Einverstдndnis zu sichern.
Warum hat sich die Abreise der Gruppe mehrmals verschoben?
Recha Freier hatte inzwischen viele Schwierigkeiten in
ihrem Kampf um die Organisation der Jugendalijah, da viele Fьhrer jьdischer
Organe in Deutschland gegen ihre Plдne waren. Hinzu kam, daя Henrietta Szold,
eine amerikanische Jьdin, die schon in Palдstina lebte und Mitglied des
"Waad Leumi" (offizielle Vertretung der jьdischen Bьrger Palдstinas)
war, ebenfalls sehr gegen die Plдne Recha Freiers agierte. Sie hielt es nicht
fьr angebracht, jьdische Kinder aus Deutschland in Kibbuzim zu schicken. Spдter
erfuhr ich, daя Henrietta Szold wohl - zumindest zeitweise - den Kibbuzim nicht
sehr hold war, da die meisten von ihnen linke Positionen vertraten. Im Laufe
der Jahre allerdings sah sie ein, daя Recha Freier im Recht war, und daя nur
durch die Jugendalijah ein Teil der jьdischen Jugend vor den Nazis gerettet
werden konnte.
Wie sahen die praktischen Vorbereitungen aus?
Das Warenhaus "Israel" ьbernahm die Bekleidung
und Versorgung, da die meisten Kinder aus armen Verhдltnissen stammten. Die
Ausstattung war sehr groяzьgig, und Israel war stolz auf die Ehre, seinen Teil
beitragen zu dьrfen. Auch geistige Vorbereitungen gab es, viele Vortrдge ьber
Palдstina, das Klima, die Bewohner - Juden und Araber -, die Geschichte der
Teilung des damaligen Palдstina in "Transjordanien" (das heutige
Jordanien) und "Cisjordanien" (das heutige Israel) nach dem Ersten
Weltkrieg, als England vom Vцlkerbund das Mandat ьber Palдstina erhielt.
Am Abend des 12. Oktober 1932 kamen wir am Anhalter Bahnhof
an. Die Bahnsteige waren von einer riesigen Menschenmenge besetzt, und nur mit
Mьhe konnten wir uns zu unserem schon wartenden Zug durchkдmpfen. Die meisten
Menschen waren Jugendliche aus allen mцglichen zionistischen
Jugendorganisationen; sie kamen, um sich von uns sechs Jungen der ersten Gruppe
zu verabschieden, die nun also nach Palдstina reisen durfte. Es gab viel
Tumult, hebrдische Lieder wurden gesungen, die wir im Lauf der Zeit gelernt
hatten. Die Bahnbeamten waren erstaunt und begriffen kaum, was los war. Recha
Freier war ьberglьcklich und weinte vor Freude. Meine Mutter weinte mit allen
anderen Eltern, weniger aus Freude, denn aus Sorge um ihre Kinder, die nun in
ein fremdes Land fuhren.
Wie verlief die Reise?
Die Fahrt dauerte einen Tag und zwei Nдchte. Es gab viele
Aufenthalte, so an der deutsch-schweizerischen Grenze und, als wir die Schweiz
durchquert hatten, an der italienischen Grenze, bevor wir endlich in Brindisi
ankamen. Dort erwarteten uns junge Italiener, die uns unterbrachten und
versorgten. Die Atmosphдre wдhrend der Bahnfahrt war ein Gemisch aus Freude,
Sorge und unbestimmten Erwartungen. Die einzigen zwei Menschen, die wir in
Palдstina kannten, waren Dr. Lehmann und Akiba Wanchozker.
Nun stellte sich heraus, daя wir einige Tage in Brindisi
warten muяten, bis eine grцяere Gruppe jьdischer Jugendlicher aus Polen
eingetroffen war, die mit uns reisen sollten. Diese Gruppe war fьr den Kibbuz
Degania vorgesehen, um nдmlich diesen zu vergrцяern, hatte aber nichts mit der
deutschen Jugendalijah zu tun. Endlich kamen die Neueinwanderer aus Polen an,
und wir bestiegen alle das Schiff, die "Italia"."Es war ein
mittelgroяes Schiff, das auch spдter zwischen Brindisi und Jaffa verkehrte und
vor allem Neueinwanderer brachte. Die Fahrt dauerte fьnf Tage.
Welche ersten Erinnerungen haben Sie an Ben-Schemen?
Wir wurden von allen Bewohnern erwartet und mit groяer
Wдrme empfangen. Im Speisesaal war fьr uns das Abendessen vorbereitet, und die
Schьler versammelten sich drauяen, um die "Deutschen" zu bestaunen.
Vor allem gefiel ihnen, wie man mir spдter erzдhlte, wie gut wir mit Messer und
Gabel umgehen konnten. Dann brachte man uns in Zelten unter, die vor dem Ersten
Weltkrieg der britischen Armee gehцrten. Sie waren mit groяen Fliesen
ausgelegt, in der Mitte der Mast, an dem eine Petroleumlampe hing. Es sah ein
wenig дrmlich aus, aber ich gewцhnte mich schnell an die neuen Umstдnde. Man
wohnte zu dritt im Zelt, schlief auf einfachen Eisenbetten, wahrscheinlich auch
aus britischen Armeebestдnden. Ich wohnte mit zwei schon etwas дlteren Schьlern
zusammen. Einer war aus Ruяland, der andere aus Kurdistan. Beide sprachen
flieяend hebrдisch, wovon ich kein Wort verstand.
Wie sah der Tagesablauf aus?
Der Tag war in zwei Teile geteilt: Vormittags war Schule,
nachmittags wurde gearbeitet. Es gab eine ziemlich groяe Landwirtschaft:
Ackerbau, Gemьsegarten, Kuhstall, Pferde und Maultiere, auch Werkstдtten wie
Tischlerei und Schlosserei. Zwei groяe Schьlergruppen bildeten die sogenannte
"ƒlterenschaft". Wir gehцrten zum Jahrgang B, wдhrend die ein oder
zwei Jahre дlteren Schьler den Jahrgang A bildeten.
Ben Schemen war nicht nur eine landwirtschaftliche Schule,
sondern zugleich auch "Kinderrepublik", die sich selbst leitete,
jedoch vom Lehrpersonal betreut und gelenkt wurde. Pдdagogik wurde groяgeschrieben,
ganz im Sinne des Leiters Dr. Lehmann. Es gab einen "pдdagogischen
Ausschuя", in dem alle Lehrer und erwachsenen Gruppenleiter saяen. Ein
Schьler aus dem дlteren Jahrgang, der von uns allen gewдhlt wurde, nahm an den
wцchentlichen Sitzungen teil und hatte das Recht, Vorschlдge, Beschwerden und
Kritik vorzutragen, welche die Schьler betrafen. Von "Hausmьttern",
die sich um unser Wohl, Pflege, Kleidung usw. kьmmerten, wurden wir zu
Hausarbeiten angehalten. Ich lernte Wдsche waschen, bьgeln, Knцpfe annдhen und
sogar Strьmpfe stopfen.
Wie war das Verhдltnis zur arabischen Bevцlkerung?
Dr. Siegfried Lehmann war auch politisch tдtig. Zu jener
Zeit gab es eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern, Professoren an der neuen
Hebrдischen Universitдt zu Jerusalem, die 1925 gegrьndet worden war, die sich
"Brith Schalom" nannte, zu deutsch "Friedensbund". Zu
dieser Gruppe gehцrten Professoren wie Magnes, Ernst Simon und andere. Auch Dr.
Lehmann gehцrte dazu. Wie man schon aus dem Namen ersehen kann, war ihr Ziel
Verstдndigung mit der damaligen arabischen Bevцlkerung auf Basis der
Gleichheit. Lehmann und seine Freunde warben um die Freundschaft der Araber,
und vor allem war es Dr. Lehmann, der die Mцglichkeiten der Nachbarschaft
Ben-Schemens mit den umliegenden arabischen Dцrfern zur Annдherung nutzte. Er
lud zu jeder Festlichkeit die Oberhдupter der Dцrfer ein und war mit allen
befreundet. Als Arzt versorgte er des цfteren Kranke aus den Dцrfern, die nach
Ben-Schemen zur Behandlung kamen. Die Hauptarbeit erledigte jedoch seine Frau,
die unsere ƒrztin war: Dr Klevanska war aus demselben Holz geschnitzt, ein sehr
lieber Mensch, die auf ihrem Gebiet groяe Pionierarbeit leistete. Sie hatte in
Berlin Medizin studiert, und dabei haben sich die beiden kennengelernt.
Wie sahen Ihre Zukunftsplдne aus?
Als ich nach Ben-Schemen kam, dachte ich, nach Absolvierung
der zwei Jahre Schulzeit an die Hebrдische Universitдt Jerusalem zu gehen.
Meine Eltern hдtten mich gerne als Rabbiner gesehen, aber meine Mutter wollte
mich lieber Jura mit dem Berufsziel Rechtsanwalt studieren lassen, weil sie
nach dem Tod meines Vaters sah und verstand, daя aus mir kein Rabbiner werden
wьrde. mein eigener Traum war, Musikwissenschaft zu studieren. Musik zog mich
so an, und ich wuяte auch, daя ich die dazu erforderliche Begabung besaя.
Aber es kam dann doch ganz anders?
In unserem Jahrgang entstanden zwei Kreise, ein grцяerer
und ein kleinerer. Ich gehцrte zum kleineren, der sich zum Ziel setzte, in
einen bestehenden Kibbuz zu gehen. Im Jahre 1933 besuchte ich den Kibbuz Geva.
Der Ort und die Menschen gefielen mir auf Anhieb. Ich hatte mehrere Gesprдche
mit den Leitern und beschloя, meiner Freundin Nechamah vorzuschlagen, nach
Beendigung unserer Schulzeit in Ben-Schemen nach Geva zu gehen, ein Jahr lang
dort zu leben und mitzuarbeiten, um die Menschen und deren Lebensform
kennenzulernen.
Wie war der Abschied von Ben-Schemen?
Der Abschied von meiner ersten Heimat in Palдstina im Juli
/ August 1934 fiel schwer. Menschen zu verlassen, die man zwei Jahre lang
lieben gelernt hatte und denen man so viel Dank schuldete, stьrzte mich in eine
kleine Krise. Ich hing an Ben-Schemen wie am Nabel. Uns beiden fiel es ьberdies
schwer, uns von all den guten Freunden unseres Jahrgangs zu trennen.
Hatten Sie weiterhin Kontakt mit Recha Freier?
Sie war hier meine ''zweite Mutter'' und wir waren sehr eng
befreundet, so auch mit ihren Kindern, die ich noch aus Berlin kannte und
lange, vor allem mit ihrer Tochter Maajan und dem дltesten Sohn Schalheveth.
Recha Freier ist in Deutschland weitgehend unbekannt. Als
es zum 50. Geburtstag des Staates Israel in der Berliner Akademie der Kьnste
eine Ausstellung des Jьdischen Museums gab, die wichtige Persцnlichkeiten
Israels vorstellte, wurde Henriette Szold als Grьnderin der Jugendalijah
bezeichnet.
Der Name Recha Freier tauchte nicht auf. Wie erklдren Sie
sich das?
Sie stellen mir da eine unangenehme Fragen (nicht etwa mir
unangenehm, sondern anderen, die leider nicht mehr am Leben sind).
Das Thema Recha Freier war von Beginn an Tabu bei den
jьdischen Behцrden in Deutschland, erstens, weil viele Juden Assimilanten waren
und auch aus politischen Grьnden, keine besonderen Schritte erlaubten und
glaubten, daя die drohenden Anzeichen, einer Naziherrschaft bald verschwinden werden.
Diesen Herren war Recha ein Dorn in den Augen und sie taten alles mцgliche, um
dieser Prophetin den Raum zu nehmen.
Nur die Jugendbewegungen verstanden zur rechten Zeit, worum
es geht und unterstьtzten Recha sehr. Es gibt heute fast niemanden in Israel,
der den Namen Recha Freier nicht kennt. Auch der Name Henrietta Szold ist
bekannt, aber ehe sie in das ''Projekt Jugendalijah'' einstieg, war schon
vieles im Gange.
Hans Beit, der in Israel der Sekretдr der Jugendalijah war,
und den ich gut kannte, antwortete mir auf meine frage, warum man statt an
Recha das Grьndungsrecht an Miss Szold vergab, - "ja Nathan, Miss Szold
verfьgt ьber das nцtige Geld''. Ich habe viel getan, und fьr ihre
Rehabilitierung gekдmpft. Zum 25. Jubilдum der Jugendalijah war sie Ehrengast
beim damaligen Prдsidenten Ben Zwie, und ich hatte die Ehre, sie am Arm zum
Prдsidenten zu fьhren. Das war natьrlich nicht gerade mein Werk, aber es wurde
bekannt, wer die Grьnderin der Jugendalijah war.
Henriette Szold war eine gute Organisatorin und es gelang
ihr, alles zu erweitern, wдhrend Recha sich den in Not befindenden israelischen
Kindern zuwandte und dort vieles erreichte.
Nathan Hцxter (1916 Ц 2000) hat seine Lebensgeschichte
aufgeschrieben:
Jьdische Pionierarbeit, nach Kindheit und frьher Jugend in
Berlin ein Leben im Kibbuz Geva und neue Brьcken nach Deutschland.
Hartung-Gorre-Verlag, Konstanz, 2000