Wider die
kenntnislose antizionistische Agitation
Sinn
und Unsinn der Zionismuskritik
Dialektik statt erklдrtem Antizionismus
Es ist in Deutschland von
seiten der Palдstina-Solidaritдtsbewegung ein erklдrter Antizionismus hцr-
und lesbar. Viele Deutsche, die die israelische Regierungspolitik angreifen,
gehen bedenkenlos mit der Parole "Gegen den Zionismus" auf die Straяe.
Vergessen oder ignoriert wird hierbei: Der "Kampf gegen den
Zionismus" ist mittlerweile eine beliebte Propagandafloskel der extremen
Rechten, um den eigenen Antisemitismus zu tarnen.
Gleichwohl kцnnte die
Verwendung des Begriffs Zionismus legitim sein, wenn er wissenschaftlich
untermauert wдre und der Zionismus tatsдchlich nur die politische Reaktion
darstellen wьrde.
Dem ist aber nicht so; nicht
umsonst formulierte der marxistische Historiker Isaak Deutscher nach der
Shoa: "Meinen Antizionismus, der auf mein Vertrauen in die europдische
Arbeiterbewegung basierte, habe ich natьrlich lдngst aufgegeben."
Deutscher schrieb an seinem Lebensabend: "Wenn ich in den zwanziger und
dreiяiger Jahren, statt gegen den Zionismus anzugehen, die europдischen Juden
aufgefordert hдtte, nach Palдstina zu gehen, hдtte ich womцglich geholfen,
einige Menschenleben zu retten, die spдter in Hitlers Gaskammern ausgelцscht
wurden."
Wer vermag diesen Gedanken zu
bestreiten? Es ist notwendig, Nachdenklichkeit und Dialektik wieder in
"linke" Gehirnwindungen hineinzubekommen.
Wer mit dem Zionismus nichts
anfangen kann, sollte zumindest den Streit mit dem Zionismus so fьhren wie
Karl Radek auf dem zweiten und dritten Weltkongreя der Komintern. Auf jenen Kongressen
waren die Vertreter der Partei "Poalei Zion" (Arbeiter Zions) als
Gastdelegierte vertreten. Mit dem heutigen historischem Abstand sind aber
auch die Argumente der Linkszionisten auf den Kongressen nicht ganz von der
Hand zu weisen. Sie teilten nicht den Geschichtsoptimismus von Radek, wonach
die "Judenfrage in der SU praktisch automatisch gelцst werde".
Himmelweit unterschied sich dennoch der damalige Umgang der Komintern mit dem
Zionismus von dem, was heute als "Antizionismus" daherkommt.
Heutzutage wird meist
kenntnislos auf den Zionismus eingedroschen und - nebenbei bemerkt - das
Existenzrecht Israels in Frage gestellt.
Ob das irgendeinem
Palдstinenser oder Israeli hilft darf mehr als bezweifelt werden. Es gibt
momentan nur die Chance, unter der Losung "Israel und Palдstina - zwei
Staaten ein Frieden" zu agieren. Jede andere Position ist
nationalistisch und ignoriert das Selbstbestimmungsrecht der einen oder
anderen Seite.
Wer unbedingt ьber den
Zionismus streiten will, sollte sich zuerst ьber die Genesis der Bewegung
kundig machen und die aktuelle Differenziertheit im Zionismus wahrnehmen.
Dazu sind die folgenden Zeilen gedacht.
Sinn und Unsinn der
Zionismuskritik
Weit verbreitet ist die Kritik
am Zionismus. Dem Zionismus wird unterstellt, eine rassistische extrem
nationalistische Bewegung darzustellen. Viele sogenannte Linke dreschen
angesichts der aktuellen Ereignisse in Israel mit der Begrifflichkeit
Zionismus um sich.
Einige entblцden sich nicht,
dem Zionismus faschistoide Zьge anzuheften. Der Zionismus ist, wenn es nach
vielen deutschen "linksstehenden" Menschen geht, eine reaktionдre
Bewegung.
Vцllig vergessen wird in diesem
Zusammenhang die Dialektik, die ein undifferenziertes Schwarz-Weiя-Schema
bekanntlich ausschlieяt. Der Autor dieser Zeilen ist jemand, der in dieser
Frage an Marx festhдlt. Jener kritisierte bekanntlich Ferdinand Lassalle
aufgrund seiner Einschдtzung, wonach es sich bei den Junkern und dem
deutschen Bьrgertum um "eine einheitlich reaktionдre Masse" handelt.
Marx differenzierte, untersuchte Dinge konkret, was ihn positiv unterschied
von dem heutigen Zionismuskritiker.
Der "linke" Zeitgeist
schlдgt auf den Zionismus ein, ohne zu wissen, worum es sich dabei
eigentliche handelt. Es dьrfte nur bekannt sein, daя sich hinter dem
Zionismus Juden verbergen.
Diese sind also eine
"reaktionдre Masse", eine genaue historische und aktuelle
Untersuchung ist fьr den bundesdeutschen "Linken" unnцtig.
Dem Autor dieser Zeilen geht es
darum, eine vernьnftige Debatte in Gang zu bringen. Deshalb wird der Versuch
gewagt, in aller Kьrze einige Fakten zu vermitteln, um der unsдglichen
antizionistischen Schaumschlдgerei zu begegnen. Eine Positionierung fьr die
eine oder andere zionistische Richtung wird in diesem Artikel nicht zu finden
sein.
Die Entstehung des Zionismus
Die Entstehung des Zionismus
kann nicht begriffen werden, ohne den Antisemitismus in Betracht zu ziehen.
Das Scheitern der Assimilation
der Juden ist eine historische Tatsache.
Der Freiheitsgedanke der
bьrgerlichen Aufklдrung hatte fьr die Juden bereits einige problematische
Haken.
So erklдrte Fьrst Clemont
Tonnerre in der franzцsischen Nationalversammlung 1789: "Man gewдhre den
Juden alles als Individuen - nichts aber als Nation."
Die Anhдnger der bьrgerlichen
Aufklдrung machten sich diesen Spruch bewuяt oder unbewuяt zu Eigen, darunter
auch Moses Heя. Dessen Grabstein im Rheinland ziert der Spruch "Vater
der deutschen Sozialdemokratie".
Der Jugendfreund von Marx
entwickelte sich allerdings in seinen spдteren Jahren zum jьdischen Patrioten
und verfaяte 1862 die Schrift "Rom und Jerusalem".
Der frustrierte Heя formulierte
in dem Buch u.a.: "Die Deutschen hassen weniger die Religion der Juden,
als ihre Rasse, weniger ihren eigentьmlichen Glauben, als ihre eigentьmlichen
Nasen." (Rom und Jerusalem, S. 25)
Der aufgeklдrte Anhдnger der
Assimilation, Theodor Herzl, erlebte Mitte der 90er Jahre des vorletzten
Jahrhunderts einen doppelbьndigen Schock. Der in Wien lebende Herzl sah den
Aufstieg des Antisemiten Karl Lueger zum Bьrgermeister von Wien. Zur selben
Zeit verfolgte er als Journalist den unsдglichen Dreyfus-Prozeя in
Frankreich.
Die ersten Schriften Herzls
sind Ausdruck der Verzweiflung ьber das Scheitern der Integration der Juden
in die bestehenden bьrgerlichen Gesellschaften.
Im Oktober 1894 verfaяte er das
Stьck "Das neue Ghetto". "Das neue Ghetto" war nichts
anderes als die Kritik eines assimilierten Juden an der Assimilation. In dem
Stьck kritisierte Herzl sich in Wirklichkeit selbst, denn noch im Jahr 1894 verlieя
der Wiener Oberrabbiner die Wohnung Herzls, als er in jener einen
Weihnachtsbaum entdeckte.
Das bekannteste Werk von Herzl
wurde 1896 in Wien publiziert unter dem Titel "Der Judenstaat, Versuch
einer modernen Lцsung der jьdischen Frage".
Wer das Werk liest, wird keine
einzige rassistische Passage finden. Eher eine nьchterne Gebrauchsanleitung
zum Aufbau eines Staates. Die Schrift ist im wesentlichen pragmatischer
Natur, die meisten Kapitelьberschriften haben zweckorientierten Charakter, sie
tragen Namen wie "Immobiliengeschдft", "Der Landkauf",
"Arbeiterwohnungen", "Arbeitshilfe" usw.
Das Problematische an Herzls
Schrift ist, daя er sich das damalige Palдstina als "ein Land ohne Volk,
fьr ein Volk ohne Land" vorstellt.
Dies ganz im Gegensatz zu Achad
Ha Am, einem Kulturzionisten aus Odessa. Jener nahm die arabische Bevцlkerung
von Anfang an wahr und galt somit zur damaligen Zeit als Hauptrivale Theodor
Herzls. Herzl nahm als Kind seiner Zeit, der Zeit des Kolonialismus, die
Ansprьche der eingesessenen Bevцlkerung nur teilweise zur Kenntnis.
Dort wo er die einheimische
Bevцlkerung entdeckte, findet sich kein chauvinistisches oder rassistisches
Wort. Zum Beleg: "Und fьgt es sich, daя auch anders Glдubige, anders
Nationale unter uns wohnen, so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und
die Rechtsfreiheit gewдhren." (Herzl, Gesammelte Werke, Bd. 1, S. 95)
Sein Gesellschaftsmodell beruht
keinesfalls auf dem Modell des klassischen europдischen Nationalstaates,
sondern er orientierte auf einen freiwilligen Zusammenschluя aller daran
interessierten Personen. Herzl ging es im wesentlichen um die Rettung der
Juden auf bьrgerlicher Grundlage, im teilweisen Widerspruch zu den
hauptsдchlich aus Ruяland stammenden Kulturzionisten. Jenen ging es nicht nur
um die Rettung der Juden, sondern um die Rettung des Judentums.
Die zionistische Bewegung hatte
lange vor Herzl in Ruяland eine Massenbasis gefunden aufgrund der Progrome
nach dem Attentat auf Zar Alexander 1881. Im Jahr 1882 schrieb der bis dato
assimilierte jьdische Arzt Leo Pinsker das Buch "Autoemanzipation".
Das Buch spiegelt den Geschichtspessimismus und die Verzweiflung des Autors
in Sachen "Emanzipationsmцglichkeit" wieder.
Die erste groяe
Auswanderungswelle nach Palдstina von Juden erfolgte nach den Pogromen in
Ruяland ab dem Jahr 1881.
Die Differenziertheiten im
Zionismus
Es besteht hier nicht die
Mцglichkeit die gesamte zionistische Literatur und die politische
Zersplitterung des Zionismus nachzuzeichnen.
Die Darstellung kann nur methodische
Hinweise vermitteln, um den Themenkomplex zu erfassen. Vieles ist von daher
kurz gefaяt und der Schreiber dieses Artikels ist sich des Risikos, divers
interpretiert zu werden, durchaus bewuяt.
Dennoch der Versuch in aller
Kьrze den Zionismus zu unterteilen.
Es gab liberale Zionisten,
religiцse Zionisten, sozialistische Zionisten und die revisionistischen
Zionisten.
Zu den allgemeinen oder
liberalen Zionisten sind Personen wie Herzl, Weizmann oder Nahum Goldmann zu
rechnen.
Die "sozialistischen"
Zionisten, die die Partei Poalei Zion (Arbeiter Zions) grьndeten, waren die
bestimmende Kraft unter den Juden in Palдstina ab der zweiten
Einwanderungswelle 1905 aus Ruяland. Fьr diese Strцmung stehen Namen wie
Syrkin, Ber Borochov und Berl Katznelson. Diese Strцmung hatte als
ideologische Grundlage die Schaffung eines jьdisch sozialistischen Staates,
um im Zuge der sozialistischen Weltrevolution eine normale sozialistische
Nation unter anderen bilden zu kцnnten.
Sie lehnten die Zusammenarbeit
mit jьdischen Kapitalisten aus der Diaspora ab, die Grund und Boden von
arabischen Groяgrundbesitzern erwarben, die meist in Beirut oder Paris
lebten, weil sie die Unterwerfung unter das Profitstreben des jьdischen
Kapitalisten negierten. So ist die Entstehung der Kibbuzim zu erklдren.
Die Crux an der Ideologie der
"sozialistischen" Zionisten war, daя sie von der Wiedereroberung
der Arbeit und des Bodens bezogen auf die Juden ausgingen. Von daher
integrierten sie keine Palдstinenser in ihre Projekte. Dennoch ist anfangs
noch vom gemeinsamen Klassenkampf mit der arabischen Bevцlkerung gesprochen
und geschrieben worden. Die "sozialistischen" Zionisten haben
durchaus unfruchtbares Land fruchtbar gemacht. Demzufolge etwas entwickelt,
woran kein "Kapitalist" oder "Spekulant" interessiert
war.
Die religiцsen Zionisten
bildeten zu Beginn des Zionismus eine kleine Minderheit. Bekanntlich sagt die
jьdische Orthodoxie, daя das Land Israel nur von Gott kommen kцnnte. Ein
kleiner Teil von religiцsen Juden unterstьtzte anfangs den Zionismus als
sogenannte Vorform der gцttlich Verheiяung. Allerdings konnten sie wenig mit
den "sozialistischen" Zionisten und mit Theodor Herzl anfangen, der
in seinen Schriften "die Religion auf den Tempelberg verbannen
wollte".
Eine andere Gruppe waren die
Zionisten-Revisionisten um Jabotinsky. Jene spalteten sich 1929 von der
Hauptstrцmung des Zionismus ab. Nachdem die zionistischen Weltkongresse 1921,
1925 und 1929 Resolutionen annahmen zur Verstдndigung und zur Zusammenarbeit
mit den Arabern.
Jabotinsky schloя eine
Verstдndigung mit den in dem Gebiet lebenden Palдstinensern prinzipiell aus.
Eine vцllig anders geartete Position hatte die Strцmung um Martin Buber, die
von einem binationalen Gebilde in der Region trдumte. Sie unterbreiteten den
arabischen Fьhrern zig Angebote zur Zusammenarbeit, die stets unbeantwortet
blieben. Zu dem von Buber inspirierten "Haus des Friedens" bekannte
sich auch Dr. Arthur Ruppin, der in Israel bis heute als Vater der
Siedlungsbewegung gilt. Jener schrieb in seinem Buch "Soziologie der
Juden" von 1931 Folgendes: "Auf den zionistischen Kongressen von
1921, 1925 und 1929 ist der Wusch nach Zusammenarbeit mit den Arabern
ausgesprochen und anerkannt worden, daя in Palдstina keine Nationalitдt ьber
die andere herrschen darf."
Er schrieb von einem
Staatswesen, "in dem Juden und Araber als zwei gleichberechtigte
Nationalitдten nebeneinander leben sollten". Er nannte dies den
binationalen Charakter Palдstinas. Auf diese Gedanken lieяen sich weder die
arabischen feudalen Fьhrer, noch die zionistischen Revisionisten um
Jabotinsky ein.
Resьmee
Die methodische Untergliederung
der zionistischen Bewegung und die nцtige Differenziertheit ist unabdingbar,
um die heute in Israel bestehende Lage zu begreifen.
Ein Hau-Drauf-Antizionismus ist
eine Phrase, die gemeingefдhrlich ist. Gefдhrlich deshalb, weil das
Hauptanliegen des historischen Zionismus, einen jьdischen Staat mit allen
Rechten fьr die dort lebenden Minderheiten zu schaffen, abgelehnt wird.
Damit wird das Existenzrecht Israels
in Frage gestellt.
Der prinzipielle Antizionist
ist jemand, der das Selbstbestimmungsrecht der Israelis ignoriert und
stattdessen nur das Selbstbestimmungsrecht fьr die Palдstinenser gelten lдяt.
Statt zu erkennen, es gibt die
Realitдt Israel, es gibt aber auch die Notwendigkeit den Palдstinensern ihre
Rechte zu gewдhren, was unter den momentanen Bedingungen nur heiяen kann:
"Israel und Palдstina - zwei Staaten ein Frieden".
Die Diskussion ьber den
Zionismus hat in Seminaren stattzufinden und wissenschaftlich auch die
Probleme der Bewegung in ihrem historischen Rahmen zu analysieren.
Keinesfalls darf eine hirn- und kenntnislose antizionistische Agitation auf
der Straяe hingenommen werden. Denn hдufig ist dies aufgrund des
Kenntnisstandes der selbsterklдrten deutschen "Antizionisten"
nichts anderes als Antisemitismus.
aus der
Website - http://www.members.partisan.net/maxbrym/html/as_wider.htm
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